Claus Brunsmann - Unterwegs nach Pro-Life |paintings [2003-2004]
Die vom Berliner Künstler Claus Brunsmann (1966) für seine Ausstellung in Mailand realisierten Bilder haben eine entschieden expressive und chromatische Kraft. Die verschiedenen Arbeiten beschäftigen sich zunächst mit Themen der Betrachtung der Metropole, besonders mit der Geschichte und der kulturellen Wirklichkeit Berlins. Die Titels selbst beziehen sich auf die Tradition der deutschen Hauptstadt, wie zum Beispiel in "Am Aschermittwoch ist alles vorbei" das sich an ein populäres Volkslied über den Karneval anlehnt: auf der rechten Seite des Bildes erscheint ein Engel in Rückenansicht, der ein Zitat aus Wim Wenders "Der Himmel über Berlin" sein könnte. Diese Engelsfigur, zwischen Wächter und Vernichter, scheint das Chaos der Metropole und die unentrinnbare Kommunikationslosigkeit zwischen den Individuen zu betrachten. Ausdrücklichere Bezüge auf Aspekte der zeitgenössischen Kultur, vor allem auf das Kino, findet man auch in den folgenden Arbeiten Claus Brunsmanns. In dem Werk "Die Frau im Jasmin" paraphrasiert der Künstler den Titel des Buches von Unica Zürn "Der Mann im Jasmin" (1977), während in "Götter der Pest" er nicht nur den Titel des Films von Fassbinder (1969) übernimmt. In diesem Bild erscheint in einem geräumigen dunklen Interieur eine Gruppe gefesselter Personen, deren Gesichter man nicht erkennen kann, während darüber ein beunruhigendes Gesicht mit roter Clownsnase erscheint.
Claudia Marfella - Flash Art | Februar-März 2004
Abbildungen aus dem Buch 'Claus Brunsmann / DISTORTED MEMORIES OF NATURE'
Das Wesen der Neuzeit ist die Eroberung der Welt als Bild
Pressetext zur Ausstellung "Unterwegs nach Pro-Life"
Nach seinen Untersuchungen zur Geschichtlichkeit der Malerei, die im Sommer 2000 mit der Bildserie "Transporter/Recorder" in der Galerie Salvatore + Caroline Ala in Mailand präsentiert wurden, zieht der Berliner Maler Claus Brunsmann (*1966) nun die Konsequenz aus den Ergebnissen seiner Analyse der historischen und gesellschaftlichen Bedingungen von Malerei und präsentiert unter dem Titel "Unterwegs nach Pro–Life" eine Serie von figurativen Gemälden aus dem Jahr 2003.
Mittelpunkt der Ausstellung ist eine Reihe von großformatigen Werken, deren Bildtitel bereits die inhaltliche Ausrichtung dieser malerischen Neuorientierung bestimmen: "Götter der Pest" zeigt eine Gruppe von marionettenartig aneinander geketteten, vermummten Gestalten, die in einem düsteren, nur von einem giftgrünen Lichtschein erhellten Kerker reglos ihr Schicksal zu erwarten scheinen. Unter dem Banner einer goldglühenden Fratze, die wie ein illuminierter Totenkopf wirkt, treten sie eine Reise ins Ungewisse an. Das Motiv der Gefesselten tritt auch in anderen Gemälden zu Tage: In "Die Reise ins Nichts" oder "Faust-Fachwerk" erscheinen die Vermummten in wechselnden Konstellationen, als vermeintlich rudernde Galeerensträflinge in freier Natur oder in sinnlosen, ohnmächtigen Auseinandersetzungen befangen, welche vor idyllischer, altdeutscher Kulisse ihren Überlebenskampf führen, letztlich aber reglos in ihrer Zerbrechlichkeit der Gewalt ausgeliefert sind. Auch in "Amok, goldene Stadt", einem Zerrbild der großstädtischen Realität, mit angedeuteten Autounfällen und vernebelten Explosionsblitzen, angesiedelt in einem fragmentarischen Architekturambiente, welches den Berliner Alexanderplatz als Ruinenwert zitiert, beschreibt der Künstler eine aus den Angeln gehobene, in ihrem eigenen Chaos versinkende Gesellschaft. Die Indifferenz der großstädtischen Beziehungslosigkeit, erscheint in dem nach einem deutschen Karnevalsschlager betitelten Werk "Am Aschermittwoch ist alles vorbei" in der zweideutigen Figur des Schutzengels, der die Kinder beim überqueren einer befahrenen Straße in den abendlichen Stunden eines trostlosen Randbezirks, zwischen Parkplatz und Sportplatz, nicht mehr zu schützen weiß und im selben Moment auch ein Todesengel sein könnte, ein betrunkener Widergänger unter vielen verlassenen verkleideten Gestalten am Ende eines ausklingenden Volksfestes.
Einige der in der Galerie Ala zum ersten Mal präsentierten Arbeiten, verweisen bereits in ihrem Titel auf Bücher, Filme oder Lebensläufe, die für Claus Brunsmann von Bedeutung sind und welche die von ihm neu entwickelte Bildsprache unterstreichen. "Götter der Pest" ein Fassbinder-Film von 1969, der das Schicksal von Haftentlassenen bei der Suche nach einem Lebensinhalt in einer ihnen gegenüber feindlich eingestellten Gesellschaft beschreibt; "Man ist nicht nur ein einzelner Mensch" nach Fontanes Roman Effi Briest, verweist in einer Gruppenszene von drei sich gegenüberstehenden Männern auf eine Konfrontation in Form eines entleerten Rituals. "Die Frau im Jasmin" zeigt eine Begegnung im Park zwischen einer Frau in einer strahlend weißen Weste und einem klassisch rot-weiß karierten Rock, die einen aus dem Dickicht eines blütenbestandenen Strauches in Erscheinung tretenden Mann zu mustern scheint. Verwirrend hockt ein kleiner Cupido als Wahn-Einflüsterer an ihrem Rockschoß und verweist auf das im Titel angedeutete Drama. "Unterwegs nach Pro-Life" erweist sich in Brunsmanns neuen Arbeiten als dornenreiche Reise, beginnend in glühenden Kinderbildern von entzündeter Farbigkeit, als isolierte Figur im Bildmittelpunkt, gefangen im vom Wasser reflektierten Spiegelbild; in Bildern scheinbarer Fachwerkhaus-Idyllen ("Nach der Flut"), wo Menschen zu kleinen glimmenden Glühwürmchen schrumpfen, in erstarrten architektonischen Räumen eines "Modernen Museums", einem Ort, an welchem sich das Wesen der Neuzeit als die Eroberung der Welt als Bild erweist. (* zitiert nach M.Heidegger)
Abbildungen aus dem Buch 'Claus Brunsmann / DISTORTED MEMORIES OF NATURE'
Ausgewählte Arbeiten (Adobe-Flash Galerie): |